Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Mundgesundheit – Wenn Entzündung das Herz erreicht
Gesunde Gefäße beginnen im Mund. Chronische Entzündungen im Zahnfleisch können das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Arteriosklerose deutlich erhöhen. Die Orale Medizin zeigt, dass die Behandlung von Parodontitis nicht nur Zähne schützt, sondern das Herz entlastet und Leben verlängern kann.


Das Herz gilt als Symbol für Vitalität, doch kaum jemand weiß, wie eng seine Gesundheit mit dem Mund verbunden ist. Moderne Forschung zeigt, dass eine chronische Zahnfleischentzündung das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um bis zu 70 Prozent erhöhen kann (Tonetti, 2013). Der Grund liegt in der systemischen Entzündungsreaktion, die von der Mundhöhle ausgeht und den gesamten Körper beeinflusst.
Parodontitis ist eine chronisch bakterielle Entzündung, die den Zahnhalteapparat betrifft. In den Zahnfleischtaschen vermehren sich pathogene Keime wie Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythia und Treponema denticola. Diese Bakterien und ihre Toxine gelangen über kleinste Blutgefäße in die Blutbahn und können dort Entzündungsprozesse in Gefäßen und Herzgewebe auslösen (Sanz, 2020).
Die Gefäßinnenwände, das sogenannte Endothel, reagieren sensibel auf entzündliche Reize. Werden sie durch bakterielle Bestandteile oder Immunreaktionen geschädigt, entstehen mikroskopisch kleine Verletzungen. An diesen Stellen lagern sich Lipide, Immunzellen und Cholesterin ab – der Beginn einer Arteriosklerose. Studien belegen, dass Patienten mit schwerer Parodontitis häufiger Plaque-Ablagerungen in den Halsschlagadern aufweisen (Beck, 2018).
Auch systemische Entzündungsmediatoren spielen eine zentrale Rolle. Parodontitis erhöht nachweislich die Konzentration von C-reaktivem Protein (CRP), Interleukin-6 und Tumornekrosefaktor α – dieselben Botenstoffe, die bei Herzinfarktpatienten stark ansteigen (Libby, 2021). Diese Moleküle verstärken die Entzündungsreaktion in den Gefäßwänden, fördern die Bildung instabiler Plaques und erhöhen die Thromboseneigung.
Ein weiterer Mechanismus ist die direkte bakterielle Invasion. DNA von Parodontitis-Erregern wurde in atherosklerotischen Plaques und Herzklappen nachgewiesen (Haraszthy, 2000). Das bedeutet: Bakterien aus der Mundhöhle können im Herz-Kreislauf-System überleben und dort immunologische Reaktionen hervorrufen. Die Folge ist eine chronische, niedriggradige Entzündung – ein Prozess, den die Medizin heute als „Inflammation-driven Atherosclerosis“ bezeichnet.
Diese Zusammenhänge bleiben oft unbemerkt, da Parodontitis meist schmerzfrei verläuft. Der Körper reagiert jedoch dauerhaft auf die mikroskopisch große Entzündungsfläche im Zahnfleisch – eine Fläche von bis zu 70 Quadratzentimetern bei schwerer Erkrankung. Eine solche chronisch entzündete Wunde an anderer Körperstelle würde sofort behandelt werden. Im Mund jedoch bleibt sie häufig über Jahre bestehen.
Die Orale Medizin versteht Herz-Kreislauf-Erkrankungen deshalb nicht isoliert, sondern als Ausdruck einer systemischen Entzündungsneigung. Eine erfolgreiche Parodontitistherapie senkt die Entzündungswerte im Blut, verbessert die Gefäßfunktion und reduziert das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. In Studien normalisierten sich CRP-Werte bereits wenige Wochen nach der Behandlung (D’Aiuto, 2004).
Neben der Entzündung spielt auch der Lebensstil eine Rolle. Schlafmangel, Stress, unausgewogene Ernährung und Rauchen verstärken sowohl Parodontitis als auch Gefäßkrankheiten. Durch gezielte Prävention – von der mikrobiologischen Diagnostik bis zur individuellen Ernährungs- und Entzündungsberatung – lässt sich das Risiko deutlich senken.
Für viele Patienten wird die Mundgesundheit dadurch zum entscheidenden Faktor ihrer Herzgesundheit. Regelmäßige zahnärztliche Kontrollen, professionelle Zahnreinigung und eine stabile häusliche Mundpflege sind keine kosmetischen Maßnahmen, sondern kardiovaskuläre Prävention.
Die Orale Medizin steht für diese neue Sicht auf das Herz: nicht als isoliertes Organ, sondern als Teil eines biologischen Netzwerkes, das im Mund beginnt. Wer das entzündliche Potenzial der Mundhöhle erkennt und behandelt, schützt seine Gefäße, sein Herz – und letztlich sein Leben.
Gesunde Gefäße beginnen im Mund.
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Tonetti et al. (2013): Periodontitis and atherosclerotic cardiovascular disease. Journal of Clinical Periodontology.
Sanz et al. (2020): Scientific evidence on the links between periodontal and cardiovascular diseases. European Heart Journal.
Beck et al. (2018): Periodontal disease and atherosclerosis. Journal of Dental Research.
Libby et al. (2021): Inflammation in atherosclerosis. Nature Reviews Cardiology.
Haraszthy et al. (2000): Detection of periodontal pathogens in atheromatous plaques. Journal of Periodontology.
D’Aiuto et al. (2004): Periodontitis treatment improves endothelial function. New England Journal of Medicine.
