Depression und Psyche – Die biochemische Brücke zwischen Mund und Emotion

Gefühle entstehen nicht nur im Kopf. Chronische Entzündungen im Mund, das orale Mikrobiom und der Hormonhaushalt beeinflussen die Produktion von Neurotransmittern und Stresshormonen. Die Orale Medizin versteht die Verbindung zwischen Mund und Psyche als biochemische Achse – eine Brücke zwischen Entzündung, Gehirn und Emotion.

Emotionen sind biochemische Zustände, keine Zufälle. Jede Stimmung, jeder Gedanke entsteht aus der Kommunikation von Nervenzellen, Hormonen und Immunzellen. Der Mund spielt dabei eine unterschätzte Rolle. Als Schnittstelle zwischen Immunsystem, Stoffwechsel und Gehirn kann er das seelische Gleichgewicht tiefgreifend beeinflussen.

Chronische Parodontitis gilt als ein stiller Entzündungsherd, der systemische Immunreaktionen auslöst. Entzündungsmediatoren wie Interleukin-6, Tumornekrosefaktor α und C-reaktives Protein gelangen über die Blutbahn in den gesamten Körper – auch in das Gehirn (Dantzer, 2008). Diese Botenstoffe aktivieren Mikrogliazellen, die Immunzellen des zentralen Nervensystems, und beeinflussen die Freisetzung von Neurotransmittern wie Serotonin und Dopamin. Das Ergebnis: Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit und depressive Symptome.

In Studien zeigten Patienten mit schwerer Parodontitis signifikant häufiger depressive Symptome und höhere CRP- und IL-6-Werte als Gesunde (Kisely, 2016). Umgekehrt leiden Menschen mit Depressionen häufiger unter schlechterer Mundgesundheit, erhöhter Entzündungsaktivität und einem gestörten oralen Mikrobiom. Der Zusammenhang ist also bidirektional: Depression kann Entzündung fördern – und Entzündung kann Depression verstärken.

Dieser Mechanismus wird als „Inflammatory Hypothesis of Depression“ bezeichnet. Er beschreibt, dass chronische Entzündungen im Körper das Gehirn biochemisch beeinflussen, insbesondere über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse. Bei dauerhafter Aktivierung dieser Stressachse steigt der Cortisolspiegel, während die Sensitivität der Rezeptoren abnimmt. Die Folge ist eine Dysregulation des Immunsystems und eine verminderte Neuroplastizität – also die Fähigkeit des Gehirns, sich zu regenerieren und anzupassen (Miller, 2009).

Das orale Mikrobiom spielt auch hier eine Schlüsselrolle. Ein stabiles Mikrobiom trägt zur Entzündungsregulation und zur Bildung neuroaktiver Metaboliten bei. Bestimmte Bakterienarten fördern die Produktion von Tryptophan, der Vorstufe von Serotonin – dem Neurotransmitter für Wohlbefinden und Zufriedenheit. Eine Dysbiose, also ein Ungleichgewicht der bakteriellen Flora, kann diesen Stoffwechsel stören und depressive Verstimmungen begünstigen (Chen, 2022).

Schlafmangel, Stress und Bruxismus wirken zusätzlich verstärkend. Durch nächtliches Zähneknirschen oder Pressen bleibt das vegetative Nervensystem in ständiger Aktivierung, wodurch die Erholungsphasen des Gehirns verkürzt werden. Diese Dysregulation fördert die Ausschüttung von Stresshormonen und verstärkt das Gefühl innerer Unruhe.

In der Oralen Medizin wird diese Verbindung zwischen Entzündung, Hormonhaushalt und Emotion systematisch untersucht. Biomarker wie CRP, IL-6 und Cortisol geben Hinweise auf chronische Belastungen. In Zusammenarbeit mit Psychologen und Internisten können auf dieser Basis Therapien entwickelt werden, die Körper und Psyche gleichzeitig stabilisieren.

Therapeutisch steht die Reduktion oraler Entzündungen im Vordergrund. Eine erfolgreiche Parodontitistherapie senkt systemische Entzündungsmarker und verbessert nachweislich depressive Symptome (Okoro, 2020). Ergänzend wirken Mikrobiomstabilisierung, entzündungshemmende Ernährung, Vitamin D, Omega-3-Fettsäuren und Atemübungen zur Regulation der Stressachse.

Viele Patientinnen und Patienten berichten, dass sich mit der Besserung der Mundgesundheit auch ihre Stimmung, Konzentration und Energie verbessern. Dieses Zusammenspiel von Biochemie und Emotion zeigt: Gesundheit ist immer ganzheitlich.

Die Orale Medizin versteht Depression nicht nur als psychisches, sondern als biologisches Phänomen. Sie erkennt, dass mentale Stabilität im Körper beginnt – und dass der Mund ein entscheidendes Organ der emotionalen Balance ist.

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Dantzer et al. (2008): From inflammation to sickness and depression. Nature Reviews Neuroscience.
Kisely et al. (2016): Oral inflammation and depression. Journal of Psychiatric Research.
Miller et al. (2009): Inflammation and its discontents: The role of cytokines in depression. Biological Psychiatry.
Chen et al. (2022): Oral microbiota and mental health: Mechanisms and interactions. Frontiers in Immunology.
Okoro et al. (2020): Periodontitis treatment and depressive symptoms. Journal of Affective Disorders.